Im Spätsommer diesen Jahres wagte ich mich an ein kleines, spannendes Projekt: die Aufzucht von Schmetterlingen auf meinem Balkon.

Geplant war das nicht und eigentlich hatte ich auch überhaupt keine Ahnung von dem, was ich da tat.

Ich war, wie so oft in diesem Jahr, mit einem befreundeten Naturfotograf unterwegs, welcher sich auf Insekten, insb. Falter spezialisiert hat. Von ihm habe ich eine Menge über die Insektenwelt gelernt und es macht immer wieder Spaß, mit ihm zusammen und dem Makro-Objektiv auf Insektenjagd zu gehen.

An diesem Tag waren wir auf meinen Lieblingsfeldern unterwegs, auf denen leider seit ein paar Wochen die Bagger rollen, da zukünftig dort gebaut werden soll. Ich erzählte von meiner Sichtung mehrerer Admirale in den vergangenen Tagen auf den vielen Brennnesseln, die dort standen. Der befreundete Fotograf sah mich an und meinte, wir sollten dann doch mal nachsehen. Sicher hat der Admiral seine Eier an die Brennnesseln gesetzt, die den Raupen als Futterpflanze dienen. Und ehe ich mich versah, hatte er mehrere Raupen in der Hand, die er mir überreichte. Ich fragte erstaunt, was ich damit jetzt soll. „Ja, mitnehmen“ kam als Antwort.

Irritiert stellten sich mir direkt einige Fragen. Raupen mit nach Hause nehmen? Wo sollte ich sie hin setzen? Würden sie bei mir überhaupt überleben? Und überhaupt… ich kann doch nicht einfach Tiere aus der Natur mit nach Hause nehmen?!

Er erklärte mir, das die Aufzucht vom Admiral kein Hexenwerk sei und es in Deutschland auch erlaubt ist, diese Raupen einzusammeln und aufzuziehen. Man kann sie auch käuflich erwerben.  Allerdings sind viele dieser selber gesammelten Raupen parasitisiert und ich sollte damit rechnen, das von den ca. 10-12 Raupen evtl. nur eine zum Falter wird. Das ist völlig normal in der freien Natur, denn vor allem Schlupf- und Brackwespen und auch Raubfliegen nutzen Schmetterlingsraupen als Wirt und legen ihre Eier in ihnen ab. Die Eier ernähren sich vom Inneren der Raupe, der in diesem Stadium noch nichts anzumerken ist. Leider wird die Raupe diesen Befall nicht überleben und aus ihr wird kein schöner Falter werden. So traurig wie das klingt, es ist ein ganz natürlicher Kreislauf unserer Natur. Ein Falter legt im Schnitt zwischen 100 und 200 Eier, weil große Verluste von vornherein eingeplant sind.

Doch der schlimmste Feind ist immernoch der Mensch. Sei es bei vielen Gärtnern, die jede Raupe beseitigen, weil sie Angst um ihre Pflanzen haben oder alles abmähen und umgraben. Oder der Industrie, denen das Geld mehr wert ist, als der Erhalt unserer Natur und ihrer teils geschützten Arten. So wie auf diesem Feld, wo zu diesem Zeitpunkt die Bagger alles platt wälzten.

Also entschloss ich mich, diese Raupen mit nach Hause zu nehmen, bevor auch sie platt gewälzt werden.

Mit einer Tüte voll Brennnesseln zum füttern und den Raupen fuhr ich erst einmal zum Baumarkt und besorgte eine Box. Zu Hause verteilte ich die Brennnesseln in zwei Dosen mit Wasser gefüllt, damit die Nesseln länger frisch bleiben. Die Dosen verschloss ich, damit keine der Raupen in das Wasser fallen und ertrinken kann.

Die Box legte ich mit Küchenpapier aus, damit sich das Ganze leichter reinigen lässt. Immerhin fressen Raupen unheimlich viel und scheiden auch dementsprechend viel aus. Auf das Küchenpapier stellte ich die Dosen mit den Nesseln und setzte vorsichtig die Raupen auf die Blätter. Zum Schluss verschloss ich die Box mit Fliegengitter, damit auch genug Luft in die Box gelangt und es in der Box nicht schimmelt, und dann ging es raus auf den Balkon. Auch wenn die Raupen nun in eine Box gesperrt waren (was ihnen überhaupt nichts ausmacht), wollte ich sie so natürlich wie möglich halten. Sie sollten natürliches Tagestlicht bekommen, frische Luft und Temperaturen, wie sie es auf dem Feld auch gehabt hätten. Und immer frisches Futter.

Anschließend studierte ich das Internet und sämtliche Entomologie-Foren, um mich mit dem Thema auseinander zu setzen. Ich wollte auf keinen Fall etwas falsch machen. Immerhin handelt es sich hier um Lebewesen. Und ich war sehr erstaunt, wie viele Menschen Schmetterlinge aufziehen und sogar züchten. Mir wurde auch klar, das ich alles richtig gemacht hatte, diese Raupen mit nach Hause zu nehmen. So hatten sie viel größere Überlebenschancen als auf dem Feld, wo mittlerweile nur noch Erde zu sehen ist.

Es folgten wirklich spannende 5 Wochen. Ich verbrachte sehr viel mehr Zeit auf meinem Balkon als sonst und beobachtete das Geschehen in der Box. Die Raupen selber bekam ich leider nicht so oft zu sehen, denn Admiral-Raupen spinnen sich ein kleines Zelt aus Seide um ein Blatt, was sie zusammenziehen, und sie so vor Fressfeinden geschützt sind. So entging mir leider auch die mehrmalige Häutung der Raupen. Nur wenn ich die Box gereinigt habe, zeigte sich mal eines der faszinierenden Tierchen. Natürlich hatte ich auch immer meine Kamera parat und machte in jeder Entwicklungsphase ein paar Aufnahmen.

Kurze Zeit später begannen die ersten Raupen, sich zu verpuppen. Einige fand ich als fertige Puppe an den Blättern, andere hatten sich an das Fliegengitter gesponnen, womit ich die Box verschlossen hatte und einige hangen an den kleinen Ästchen, die ich nach meinen Internet-Recherchen als Hilfestellung zum klettern mit in die Box gestellt hatte, denn die Tiere kommen an den glatten Wänden der Box nicht voran und rutschen ab.  Leider fand ich auch einige Puppen im Küchenpapier auf dem Boden, die den Parasitenbefall wohl nicht überlebt hatten.

Zur Verpuppung hängen sich die Raupen des Admiral mit dem Hinterleib kopfüber an eine geeignete Stelle, bis sie ihre letzte Raupenhaut abstreifen und die Puppe zum Vorschein kommt. Diesen Prozess konnte ich leider nicht beobachten. Dafür hätte ich einige Stunden vor der Box sitzen müssen, denn die Verpuppung braucht seine Zeit. Außerdem suchten sich die meisten der Raupen einen versteckten Platz, so das ich später „nur“ die fertige Puppe fand. Aber eine der Raupen meinte es gut mit mir. Sie hang mit ihrem Gespinst am Fliegengitter, bereit zur Verpuppung. Und ich hatte wenigstens ein Foto von diesem Moment.

Je mehr Raupen sich verpuppt hatten, umso mehr Parasiten fand ich in der Box. Zum Teil waren es kleine schwarze, ovale Kügelchen. Aber auch watteartige Gespinste, in denen sich eine Art Würmer befanden. Wie ich später heraus fand, handelte es sich dabei um Kokons von Brackwespen.

Inzwischen fand ich es nicht mehr so toll mit der Aufzucht vom Admiral. Irgendwie ekelte es mich immer wieder, wenn ich die Parasiten fand und ich befürchtete, das wohl jede Raupe befallen war und keiner der Falter schlüpfen würde. Ich recherchierte wieder im Internet und mir wurde klar, das mein Ekel völlig unbegründet war. Auch die Parasiten haben ihre Daseinsberechtigung und können sogar sehr nützlich sein. So sammelte ich sie täglich aus der Box und brachte sie hinaus in die Natur.

Laut Internet sollte es ca. 2 Wochen dauern, bis der Falter aus der Puppe schlüpft.  Inzwischen waren alle Raupen verpuppt, doch in der Box herrschte absolute Stille. Ich wartete über 3 Wochen, doch es tat sich nichts. Langsam sanken die Temperaturen immer weiter nach unten. Der Herbst stand vor der Tür und ich machte mir Sorgen. Sollte doch noch einer der Falter aus der Puppenhaut schlüpfen, sollte er draußen noch genug Nektar finden können. Auf keinen Fall wollte ich, das ein Falter schlüpft, wenn alle Blüten verblüht sind und es draußen bitterkalt ist, denn das wäre wahrscheinlich sein Todesurteil. Und dann ging mir ein Lichtlein auf. Mein Balkon befindet sich auf der Nordseite. Das heißt, es ist dort zu dieser Jahreszeit nur noch schattig und damit auch deutlich kühler, als in der Sonne. Wärmer als 10°C wurde es auf dem Balkon nicht mehr. Seit Tagen. Vermutlich war das der Grund für die Stille in der Box. Oder alle Raupen waren von Parasiten befallen …

Ich nahm also die Box für ein paar Tage mit in die wärmere Wohnung und siehe da – nach 2 Tagen verfärbte sich plötzlich eine der Puppen. Sie wurde recht dunkel und an den Seiten sah man rötliche Streifen schimmern. Da war also doch noch Leben in der Bude. Freudestrahlend stürzte ich los, um meine Kamera und das Stativ zu holen. Den Schlupf wollte ich unbedingt in bewegten Bildern festhalten. In aller Eile baute ich die Ausrüstung auf dem Balkon auf. Da es sich hier um eine Puppe handelte, die sich am Fliegengitter angesponnen hatte, bastelte ich noch fix ein Ästchen an eine Klammer, wo ich das Fliegengitter drüber hängen konnte und der Falter auch eine Möglichkeit hat, nach oben zu klettern und seine zusammengefalteten Flügel an einem erhöhten Platz zu strecken.

Leider war der Falter schneller als ich. Noch während ich am basteln war, hörte ich es leise knistern. Die Puppenhaut brach auseinander und der Falter kam zum Vorschein. Ich nahm also, was ich noch bekommen konnte und filmte drauf los. Die Position sagte mir überhaupt nicht zu. Das Fliegengitter war zu sehen, die Brennweite viel zu kurz und das Licht war auch nicht das beste. Doch das war in diesem Moment eigentlich völlig nebensächlich. Ich durfte zum ersten mal live zusehen, wie ein Falter schlüpft. Also genoss ich einfach den Moment und lies nebenher die Kamera laufen.

Es war unglaublich interessant zuzusehen, wie sich der Falter aus dieser kleinen Puppe schält, anschließend an den kleinen Ast klammert und sich langsam entfaltet. Nach und nach wurden die Flügel immer größer. Der Saugrüssel rollte sich immer wieder auf und wieder zusammen. Ich hatte Gänsehaut und war so glücklich, das es doch noch ein Falter geschafft hat.

Nun hang er da an diesem Ast und blieb etwa einen halben Tag zum trocknen hängen. Ich ließ ihn auch in Ruhe, denn in dieser Phase sind sie sehr verletzlich. Nach ca. 6 Stunden setzte ich ihn vorsichtig auf eine Blüte, ohne seine empfindlichen Flügel zu berühren. Von dort aus flog er einige Zeit später in die Freiheit.

Während ich auf dem Balkon mit dem Falter beschäftigt war, schlüpfte der nächste Admiral. Ich fand ihn an einem Ast sitzend in der Box und brachte ihn ebenfalls behutsam raus und steckte den Ast zwischen die Blümchen. Am nächsten Morgen saß der dritte fertige Falter in der Box und einen Tag später kam Nr. 4 zur Welt. Leider konnte ich keinen dieser Falter mehr beim Schlupf beobachten und filmen. Dafür war ich sehr glücklich, das es tatsächlich vier dieser edlen Falter geschafft haben und nun gesund und munter von Blüte zu Blüte fiegen.

Die übrigen Puppen waren zwischenzeitlich sehr fleckig und dünn. Sie hatten den Befall der Parasiten nicht überlebt. Ich legte sie im Innenhof in ein Beet, wo sie ggf. anderen Tieren, wie z.B. Vögeln noch als kleine Mahlzeit dienen konnten.

Es war auf jeden Fall eine wunderbare neue Erfahrung, aus der ich jede Menge gelernt habe. Die Metamorphose eines Falters zu beobachten ist unglaublich interessant und auch wenn man das schon irgendwie kannte, ist es doch erstaunlich, was die Natur da zustande bringt. Und vor allem WIE.

Nun fliegen 4 Falter mehr über die Wiesen, die es auf dem Feld mit Sicherheit nicht überlebt hätten.

Auch wenn ich zu der Zeit mit den Parasiten kurzzeitig wirklich mit mir zu kämpfen hatte, ich würde es wieder tun! Dann aber bestenfalls im Frühjahr, wo es auch auf meinem Balkon angenehm warm ist und die Falter auf natürlichere Weise schlüpfen können. Statt dem Fliegengitter wird dann die Box mit etwas feinmaschigerem verschlossen, denn die Parasiten sind mitunter so klein, das sie durch die Löcher kommen und damit auch an die Raupen.

Die Aufnahmen dieses kleinen, aufregenden und spannenden Projektes könnt Ihr Euch sehr gern im folgenden Video ansehen. Natürlich würde ich mich sehr über einen Daumen und/oder Kommentar, oder auch ein Abo freuen.