Seit Jahren wünschte ich mir, einmal die Brunft des imposanten Rotwildes miterleben zu dürfen.
Die Brunft ist die Paarungszeit. Diese beginnt beim Rotwild im September und dauert ca. 5-6 Wochen an. Die Hirsche wandern zu den traditionellen Brunftplätzen, wo sie ihr Kahlwildrudel (die Hirschkühe) stark gegen Rivalen verteidigen. Dabei röhren sie lauthals, was ihre Besitzansprüche an ihrem Rudel bekundet. Ihr Imponiergehabe demonstriert deutlich, wer der Chef im Revier ist. Ein Hirsch ist in der Brunft in einem hormonellen Ausnahmezustand. Der Platzhirsch schreckt schwächere Hirsche durch Drohrituale ab, doch versucht ein ehrenbürtiger Gegner, ihm sein Rudel streitig zu machen, kommt es zum Kampf. Ein Naturschauspiel, was man wirklich mal erlebt haben muss.
Die Rotwild-Brunft zu erleben, ist in Deutschland relativ schwierig, zumindest im Süden und der Mitte des Landes. Doch dazu später.
Ende September fuhren mein Mann und ich für eine Woche nach Dänemark. In einigen Teilen Dänemarks sollte es sehr gute Rotwildbestände geben und der Zeitpunkt konnte perfekt sein, sie bei der Brunft erleben zu können.
Wir suchten dort einige Spots ab, die laut Suchmaschine erfolgsversprechend sein sollten und kamen an eine große Kuhweide. Auf der Straße neben der Weide parkten für dänische Verhältnisse sehr viele Autos und neben den Autos sah man Menschen mit Fernglas und Handy. So interessant können doch keine Kühe sein, dachte ich und freute mich über eine der noch wenigen Parkmöglichkeiten auf dieser Straße.
Als wir uns der Weide näherten, war die Freude groß. Direkt vor unseren Augen stand ein großes Brunftrudel Rotwild. Ein stattlicher Hirsch mit jeder Menge Hirschkühen und einigen Kälbern. Wir schnappten uns die Kameras und das Okular und suchten damit von der Straße aus die große Weide ab. Ein Stück weiter hinten sahen wir mehrere Junghirsche. Weiter rechts das nächste Rudel mit einem imposanten Hirsch und seinen Mädels. Es war einfach fantastisch.
Immer wieder röhrte ein Hirsch und lief aufgeregt um seine Mädels herum. Dazwischen ein Kalb, was an seiner Mutter säugte. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hin schauen sollte. Es war so aufregend.
Wir machten beide jeweils ca. 500 Aufnahmen, bis wir uns für diesen Tag schweren Herzens von diesen wundervollen Tieren trennten. Beim sichten der Fotos am Abend fiel mir auf, das zwischen den Tieren sogar Kiebitze umher geschwirrt sind, die ich vor Ort überhaupt nicht wahr genommen hatte. Einfach traumhaft.
Noch am gleichen Abend checkten wir das Wetter für die kommenden Tage. Wir wollten unbedingt das Rotwild in der Morgendämmerung erleben.
Zwei Tage später war es dann soweit. Der Wetterbericht versprach für diesen Tag das beste Wetter der ganzen Woche. Wir standen gegen 5 Uhr auf, kochten uns eine Kanne heißen Tee, schnappten unsere Kamerarucksäcke und fuhren zu dieser großen Kuhweide. Es war stockfinster, als wir vor Ort unser Equipment aufbauten. Nur still war es nicht. Aus jeder Richtung hörte man das kräftige röhren der Rothirsche. Wir waren regelrecht umzingelt davon und die Tiere waren so nah. Leider konnten wir aufgrund der Dunkelheit nicht sehen, wo genau sich die Tiere aufhielten. Doch es klang, als wäre jeder Hirsch nur wenige Meter von uns entfernt. Keiner von uns beiden konnte irgend etwas sagen. Wir waren einfach nur geflashed und wollten diesen einmaligen Augenblick genießen. Man kann es nicht wirklich beschreiben. Ich hatte mindestens 30 Minuten lang durchweg Gänsehaut und einen Kloß im Hals. Es war das schönste Erlebnis, was ich in der Natur je hatte und ich bin meinem Mann unendlich dankbar, das er mir dieses Erlebnis ermöglicht hat.
Wir waren an den wenigen Urlaubstagen noch ein paar mal das Rotwild besuchen. Auch an einem anderen Ort, wo man das röhren schon vom Auto aus hören konnte. Leider war es nicht noch einmal so nah wie am ersten Tag und auch wetterbedingt war es nur schwer möglich, noch schöne Aufnahmen machen zu können.
Einen Kampf zwischen einem Platzhirsch und seinem Herausforderer live zu erleben war mir leider nicht gegönnt. Dafür hatte ich das Glück, eine Paarung zu sehen. Ein paar „Beweisfotos“ aus weiter Entfernung bei schlechtem Licht hatte ich im Kasten.
An diesen Urlaub werde ich mich noch sehr oft und sehr gern erinnern, denn dort hatte ich eines meiner eindrucksvollsten Erlebnisse. Und ganz sicher waren wir nicht das letzte mal dort!
Während des Urlaubes stellte sich mir immer wieder die Frage, weshalb es in Dänemark so „einfach“ ist, Rotwild in seiner natürlichen Umgebung beobachten zu können und in Deutschland nicht. Jedenfalls nicht in Mitteldeutschland, wo ich lebe. Hier habe ich in meinem ganzen Leben erst zwei mal Rotwild in der freien Natur gesehen. In Dänemark bin ich sogar bei einem kurzem Spaziergang im Wald zwei Hirschkühen begegnet. Also habe ich recherchiert und im Internet folgendes gefunden, was ich zuvor auch schon zum Teil von einem Jäger erfahren hatte:
In Dänemark wurde früher das Rotwild stark bejagd. Doch dank umfangreicher Schutzmaßnahmen kann es sich seit 20 Jahren wieder vermehren.
In Deutschland sieht das leider anders aus. Beim Staatsforst gelten die Tiere als große Schädlinge.
Ihr Lebensraum ist durch Zerschneidung und Urbanisierung der Landschaft und durch politische Vorgaben auf ca. 25% der Gesamtfläche geschrumpft.
Das Rotwild nutzt halboffene Landschaften. Tritt das Wild aus dem Wald, steht es auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche. Richtet es hier Schäden an, sind diese vom Jagdpächter auszugleichen. So will es das Gesetz.
Das Rotwild zieht sich also immer weiter in den schützenden Wald zurück. Zum Ärger der Forstwirtschaft, denn sie äsen die Knospen der nachwachsenden Baumgenerationen und schälen die Rinde der Bäume, welche in Deutschland intensiv für die Holzproduktion genutzt werden.
In einigen Bundesländern gibt es behördlich vorgeschriebene Rotwildbezirke. Sie schreiben das Vorkommen von Rotwild in einem Gebiet per Gesetz fest. Außerhalb dieser Gebiete besteht ein zum Teil strenges AbschussGEBOT. Zu verdanken sind diese Gebiete der Forstwirtschaft, für die das Rotwild bei ihrem Streben nach Gewinnmaximierung als Schädling gilt.
Wildregulierung ist das eine – aus meiner Sicht oft auch wichtig und richtig. Doch was hier passiert, stimmt mich irgendwie traurig. Dabei zeigt das Beispiel Dänemark doch deutlich, das eine erfolgreiche Land- und Forstwirtschaft auch mit Rotwild betrieben werden kann.
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