Wie so oft ging ich an diesem schönen, sonnigen Tag im Mai eine Runde im Wald spazieren. Den Kamerarucksack hatte ich natürlich dabei, auch wenn das Licht leider nicht das Beste war. Es war schon Mittag und die Sonne stand gerade am höchsten. Doch ich wusste genau, geh ich ohne Cam, würde ich mich hinterher ärgern, weil ich wieder etwas gesehen habe und nicht bildlich festhalten konnte. Und was soll ich sagen… zum Glück war die Ausrüstung dabei!

Die ersten Kilometer waren relativ ruhig. Zwar sangen und zwitscherten in jedem Baum und jedem Gebüsch die Vögel, sehen konnte man sie aber kaum, denn in den letzten Tagen wurde der Wald wieder schlagartig grün und dicht bewachsen. Ab und zu konnte ich dennoch einige Balzrituale und Imponiergehabe beobachten.

Ich genoss die Ruhe, den zarten Duft nach Frühling, das helle Grün der Blätter an den Bäumen und die fröhlichen Gesänge der kleinen Vögel. Hin und wieder hörte ich ein zartes piepen aus einer der unendlich vielen kleinen Baumhöhlen. Es waren die Bettelrufe kleiner Nestlinge, die in diesen Tagen frisch geschlüpft sind. Es ist doch immer wieder ein Hochgenuss, wenn die Natur zu neuem Leben erwacht.

Plötzlich wildes Geschrei. Einige Vögel flatterten aufgeregt von Ast zu Ast. Mit den Augen konnte ich nicht gleich erkennen, um welche Vögel es sich handelt, dafür waren sie zu schnell. Doch die Warnrufe klangen stark nach Kernbeißern. Ich startete die App „BirdNet“, die meine Vermutung direkt bestätigte und ich war auf einmal ziemlich aufgeregt. Kernbeißer sieht man in unserer Gegend eher selten. Sie sind zwar zahlreich vorhanden, doch immer sehr versteckt. Ich stellte also schnell die Kamera ein und versuchte, die noch immer wild von Ast zu Ast flatternden, äußerst faszinierenden Vögel im Sucher zu erwischen.

Doch was hatte die Kernbeißer dazu veranlasst? Sollte hier etwa ein Greifvogel in der Nähe sein? Vielleicht ein Habicht oder ein Sperber? Das wilde gezeter wies auf jeden Fall auf einen Feind hin.

Ich hatte noch immer die Kamera vor den Augen und versuchte, ein schönes Foto von einem Kernbeißer zu bekommen. Ein leichter Wind sorgte dafür, das sich immer wieder die Blätter vor diese hübschen Vögel schoben, was es mir nicht gerade leicht machte. Und dann brachte mir dieser Wind eine ganz wunderbare Überraschung. Er schob einen dünnen, stark bewachsenen Ast beiseite und ich sah im Sucher einen Waldkauz auf einem größeren Ast sitzen. Er war also der Grund für dieses aufregende Spektakel.

Der Kauz blieb völlig unbeeindruckt auf diesem Ast sitzen und die Kernbeißer zogen ab. Nun hatte ich zwar wieder kein Wunschfoto eines Kernbeißers im Kasten, dafür aber ein paar ganz wunderbare Aufnahmen vom großen Meister der Tarnung, den man in der freien Natur mindestens genauso selten zu Gesicht bekommt.

Wie immer hielt ich mich kurz, um nicht weiter zu stören und spazierte glücklich, zufrieden und extrem stolz nach Hause.